Energiewirtschaft: Erstmals wird Blindleistung für die Versorgungssicherheit gehandelt

So kurios es klingt: Ohne Blindleistung gibt es in der Energiewirtschaft keine Versorgungssicherheit. Auch wenn Blindleistung keine nutzbare Arbeit verrichtet, ermöglicht sie doch den Aufbau der Spannung und sorgt so für ein stabiles Stromnetz. Der ostdeutsche Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz hat nun als erster Netzbetreiber einen Markt für Blindleistung gestartet. Mit Erfolg.

Als erster deutscher Übertragungsnetzbetreiber hat 50Hertz die marktliche Beschaffung von Blindleistung zur Spannungshaltung erfolgreich eingeführt. Nach Ende von Angebots- und Zuschlagsfrist ist die Erbringungsphase erfolgreich und wie geplant am 1. April gestartet. Der Blindleistungsmarkt löst die bisherige Praxis der bilateralen Verträge mit Kraftwerksbetreibern ab. Mit der Einführung dieses neuen Marktes für Systemdienstleistungen setzt 50Hertz eine Vorgabe der Bundesnetzagentur (BNetzA) früher als vorgegeben um, wonach bis Ende Juni 2025 ein solcher Markt von den Hoch- und Höchstspannungs-Netzbetreibern mit Blindleistungsbedarf eingeführt werden muss.

Ziel des neuen Marktes nach § 12 h Energiewirtschaftsgesetz ist es, einerseits die Beschaffungskosten für Blindleistungen durch mehr Markttransparenz und Wettbewerb zu reduzieren und andererseits neue Potenziale zur Erbringung von Blindleistung zu erschließen. Angesprochen werden unter anderem die Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen wie Freiflächen-PV-Anlagen und Windparks sowie zukünftig auch von Elektrolyseuren und Großbatteriespeichern. Bisher stellen überwiegend konventionelle fossile Kraftwerke über ihre Generatoren Blindleistung zur Verfügung.

Mit dem 600 MW-PV-Park Witznitz sowie mit Windparks in Brandenburg hat 50Hertz erfolgreich Pilotvorhaben umgesetzt. Die positiven Erfahrungen aus diesen Projekten haben dazu geführt, dass 50Hertz die BNetzA-Vorgabe schnell in die Praxis überführen konnte. EE-Anlagen können über ihre Wechselrichter auch dann Blindleistung zur Spannungshaltung liefern, wenn sie – zum Beispiel bei Dunkelheit oder Windstille – keine Wirkleistung einspeisen.

Stefan Kapferer, CEO von 50Hertz: „Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien geht ein Abbau konventioneller Kraftwerkskapazitäten einher. Das ist nicht nur eine Herausforderung für die Versorgungssicherheit, rund um die Uhr Strom als „Wirkleistung“ bereitzustellen. Es ist auch eine Herausforderung für die System- und Netzstabilität, denn die großen Generatoren in den Kraftwerken regeln Spannung und Frequenz quasi als Nebenprodukt automatisch mit. Die Erneuerbaren Energien, Batterien, Elektrolyseure und auch Konverteranlagen müssen auch diese Aufgabe der Bereitstellung von „Blindleistung“ in Zukunft mehr und mehr übernehmen. Sie sind dazu technisch in der Lage. Der neue Markt ist ein Anreiz, vorhandene und zukünftige Potenziale kosteneffizient zu erschließen, indem zum Beispiel Gleich- und Wechselrichter dafür genutzt werden.“

Am Blindleistungsmarkt können Anbieter teilnehmen, deren Blindleistungsquelle an das Höchstspannungsnetz von 50Hertz angeschlossen ist und deren Potenziale über die Technischen Anschlussrichtlinien/Anschlussbedingungen (TAR/TAB) zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der marktgestützten Beschaffung hinausgehen. 50Hertz hat das Netzgebiet in die fünf Beschaffungsregionen Hamburg, Nord, Mitte, Süd-West und Ost aufgeteilt, weil Spannungsregulierung über Blindleistung kleinräumig organisiert werden muss. In allen Regionen gibt es sowohl spannungshebenden als auch -senkenden Bedarf. Nach erfolgreicher Bezuschlagung schließen die Anbieter mit 50Hertz einen Standardvertrag. Im Gegenzug erhalten sie als Vergütung einen Blindarbeitspreis bei ungesicherter, also nicht kontinuierlicher Erbringung, sowie zusätzlich einen Vorhaltepreis, wenn sie kontinuierlich gesichert Blindleistung erbringen.

Quellen: solarserver.de vom 3. April 2025, Energie & Management vom 2. April 2025, Mitteilung von 50Hertz vom 1. April 2025

 

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