Vorzeitiger Kohleausstieg in Deutschland kommt auf den Prüfstand

Seit Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine ist in Deutschland viel von Zeitenwende die Rede. Sichtbarster Ausdruck ist der Kurswechsel in der Verteidigungs- und Militärpolitik. Auch in Energiefragen geraten Gewissheiten ins Wanken. So gehöre der vorgezogene Kohleausstieg auf den Prüfstand, meinen nicht nur die Ministerpräsidenten der Kohlereviere. Auch Bundeswirtschaftsminister Habeck räumt längere Laufzeiten ein.

Robert Habeck, Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister der Grünen, schließt nicht aus, dass Kohlekraftwerke in Deutschland länger laufen müssen, um das Land energiepolitisch unabhängiger von Russland zu machen. „Da muss der Pragmatismus jede politische Festlegung schlagen, die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein“, sagte der Grünen-Politiker nach Angaben von Spiegel Online im Deutschlandfunk. Im Zweifel sei diese Sicherheit wichtiger als Klimaschutz. Mittelfristig aber seien Unabhängigkeit in der Energiepolitik und eine klimaneutrale Energieproduktion das gleiche. Je stärker sich Deutschland auf eigene Energiequellen stütze, desto souveräner könne das Land außenpolitisch reagieren. In den vergangenen Jahren sei die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen immer größer geworden, sagte Habeck. „Wir haben uns da ganz schön in eine Ecke manövriert“, so der Minister.

Zuvor machte schon Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) deutlich, dass der auf 2030 vorgezogene Kohleausstieg neu diskutiert werden müsse. Es könne keine Denkverbote geben, sagte der Regierungschef laut dpa dem Sender „radioeins“ vom rbb. „Wir müssen erstmal sehen, dass wir in Deutschland die Energieversorgung rund um die Uhr sichern und da wird und muss die Kohle natürlich in der Diskussion eine Rolle spielen“, sagte Woidke. Gleichzeitig müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden.

Ähnlich sehen es die Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff (CDU) und Sachsens Michael Kretschmer (CDU). Mit ihnen kam Woidke am 1. März bei einer Infrastrukturkonferenz des BDEW in Cottbus zusammen. „Im Koalitionsvertrag kann man alles Mögliche formulieren“, sagte Haseloff. Solange die Ampel-Koalition aber kein Gesetz auf den Weg gebracht habe, wo sie denn auch die Alternativen benenne, „ist das für mich Makulatur, das muss ich so klar sagen“, so der Ministerpräsident.

Man müsse jetzt noch einmal neu rechnen, was man an grundlastfähiger Energie aus dem Ausland brauche und was man im eigenen Land produzieren wolle, erklärte Sachsens Regierungschef Kretschmer. Es sei höchste Zeit, mit dem „Wischi-Waschi“ aufzuhören. „Man muss sich jetzt mal ehrlich machen und die Scheuklappen beiseite lassen, was Braunkohle und was Atom angeht.“ Möglicherweise brauche Deutschland angesichts der aktuellen Situation in der Ukraine beim Kohleausstieg ein bisschen länger, als sich das manche wünschen. „Aber ich sage: Physik und Mathematik müssen bei der Beurteilung der Versorgungssicherheit den Vorrang bekommen“, so Kretschmer.

Quellen: Spiegel Online vom 2. März 2022, Lausitzer Rundschau vom 2. März 2022, dpa vom 1. März 2022

 

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